
Aufhebung der 10 % Rechtsprechung bei Wohnflächenabweichung!?
Am 18.11.2015 hat der BGH (Az. VIII ZR 266/14) eine vielbeachtete Entscheidung veröffentlicht und entschieden, dass eine Mieterhöhung nach § 558 BGB auf der Basis der tatsächlichen Wohnfläche zu erfolgen hat, auch wenn im Mietvertrag eine abweichende Wohnfläche angegeben ist. In den Entscheidungsgründen führt der BGH aus, dass er nicht mehr an seiner früheren Rechtsprechung, dass der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen müsse, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 % betrage, festhalte.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vermieter und Kläger vermietete in Berlin eine 5-Zimmer-Wohnung, wobei im Mietvertrag eine Wohnfläche von 156,95 m² und eine monatliche Miete von 811,81 DM angegeben war. Die tatsächliche Wohnfläche der Wohnung betrug 210,43 m². Die Vermieterin verlangte von dem Mieter die Zustimmung zur Erhöhung der bislang gezahlten Brutto-Kaltmiete um 15 % im Rahmen der allgemeinen Mieterhöhungsvorschriften sowie darüber hinaus wegen der Überschreitung der vertraglich vereinbarten Wohnfläche eine weitere Anhebung um 33,95 %. Der Mieter hat lediglich eine Zustimmung zur Mieterhöhung um 15 % erteilt, so dass die Vermieterin und Klägerin die weitere Mieterhöhung in Höhe von 213,31 € monatlich versuchte gerichtlich geltend zu machen.
Die Vermieterin ist mit ihrem Begehren vor dem Amts- sowie vor dem Landgericht gescheitert und hat Revision am Bundesgerichtshof eingelegt.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass es im Rahmen eines Mieterhöhungsverfahrens nach § 558 BGB nur auf die tatsächliche Wohnungsgröße ankomme. Etwaige vertragliche Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Wohnungsgröße könnten im Mieterhöhungsverfahren keine Rolle spielen, da sonst nicht die tatsächlichen, sondern vertraglich fingierten Umstände Berücksichtigung finden müssten. In diesem Zusammenhang hat der BGH seine frühere Rechtsprechung, nach der der Vermieter sich an einer im Mietvertrag zu niedrig angegebenen Wohnfläche festhalten lassen musste, wenn die Abweichung nicht mehr als 10 % betrage, aufgegeben.
Der BGH hat darüber hinausgehend klargestellt, dass dies auch für den umgekehrten Fall gelte, dass die Wohnfläche im Mietvertrag zu groß angegeben sei, der Vermieter die Miete ebenfalls nur auf der Grundlage der tatsächlichen, geringeren Wohnfläche erhöhen könne.
Abgelehnt hat der BGH das Begehren des Vermieters, dass die Miete an die tatsächliche Wohnungsgröße und ortsübliche Vergleichsmiete angepasst wird.
Bedeutung für die Praxis:
Grundsätzlich ist dem BGH auch für die grundlegenden Erwägungen in diesem Fall Recht zu geben. Dieser Fall zeigt sehr wahrscheinlich einen Extremfall, der im üblichen Alltag sich so kaum wiederholen wird. Ob aufgrund dieser Entscheidung und der Aufgabe der 10 % Rechtsprechung im Mieterhöhungsverfahren auch darauf geschlossen werden kann, dass andere Mietflächenabweichungen nunmehr auch ungeachtet einer 10 %-igen Toleranzgrenze zu berücksichtigen sind, muss abgewartet werden. Vieles spricht jedoch dafür, dass der BGH auch bei den anderen Fallgestaltungen von der tatsächlichen Wohnfläche ausgehen wird.
Ein Problem hat der BGH mit seiner geänderten Rechtsprechung jedoch nicht gelöst, nämlich die Frage, wie die Wohnfläche korrekt zu berechnen ist. Sollte die Größe tatsächlich streitig sein, liegen hierin die größten Herausforderungen in einem Rechtsstreit.
Mitgeteilt von: Sven Boelke, Rechtsanwalt
24.03.2016