
Obliegenheit nach § 87 a Abs. 3 HGB
Im deutschen Versicherungsgewerbe ist es üblich, dass die zu erwartende Provision dem Handelsvertreter im Wege der Vorfinanzierung vorschüssig ausgezahlt wird. Für den Fall der Stornierung von Verträgen innerhalb der Haftungszeit führt dies zu Rückforderungsansprüchen des Unternehmens, was die Beteiligten vor spezifische Schwierigkeiten bei der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche stellt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmen sich Art und Umfang der dem Unternehmer obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 25.05.2005, VIII ZR 237/04).
Welches Maßstabes es hierfür bedarf, kann dabei nicht abstrakt entschieden werden, sondern bedarf stets einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.
Mit dieser Thematik hat sich kürzlich das Oberlandesgericht Frankfurt/Main befasst und mit Urteil vom 10.03.2016, Az.: 2 U 45/15, eine erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Frankfurt/Main vom 10.03.2015, Az.: 2-02 O 134/13, in vollem Umfange bestätigt.
Sowohl das Landgericht wie das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entwickelten die Leitlinien weiter, welche sich im Laufe der Zeit durch die Rechtsprechung herausgebildet haben.
Immer wieder werden vom Versicherungsvertreter enorme Stornoquoten nach seinem Ausscheiden behauptet, die auf eine nicht hinreichende Nachbearbeitung schließen lassen. Diesem Anscheinsbeweis hat das Oberlandesgericht Frankfurt/Main eine eindeutige Absage erteilt.
Es wurde bestätigt, dass bei geringwertigen Verträgen und entsprechend geringfügigen Prämienbeiträgen eine Nachbearbeitung unwirtschaftlich sein kann. In diesen Bagatellfällen braucht der Unternehmer die Nachbearbeitung nicht vorzunehmen und muss den Vertreter im Falle seines Ausscheidens weder davon unterrichten, noch ihm Gelegenheit zur Nachbearbeitung geben, da die Gefahr der Konkurrenztätigkeit besteht.
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main folgt auch der Rechtsauffassung, dass eine Nachbearbeitung bei erkennbarer Aussichtslosigkeit nicht vorzunehmen ist. Dies ist in all den Fällen von Bedeutung, in denen der Versicherungsnehmer seine Kündigung begründet hat. Die angegebenen Gründe, die auf eine Zahlungsunfähigkeit oder einen Wegfall des Versicherungsinteresses schließen lassen, kann das Unternehmen als zutreffend unterstellen.
In den Fällen einer wiederholten Stornogefahr und einer zunächst erfolgreichen Nachbearbeitung wurde die schriftliche Nachbearbeitung für ausreichend erachtet. Das Urteil ist an dieser Stelle insoweit beachtenswert, als von einer Intensivierung der Nachbearbeitungsmaßnahmen eindeutig Abstand genommen wurde.
Insgesamt handelt es sich um eine lebensnahe und praxisorientierte Entscheidung, die wegweisend für die künftige Rechtsprechung sein dürfte.
Bedeutung für die Praxis:
Das Urteil des OLG Frankfurt/Main bedeutet für die Unternehmen in weiten Teilen eine Entlastung bei der Durchsetzung der Provisionsrückforderungen. Demgegenüber sollte der Handelsvertreter seine Verteidigungsstrategie nicht maßgeblich auf den Umstand erhöhter Stornoquoten nach seinem Ausscheiden stützen.
Das Prozessrisiko des ausgeschiedenen Handelsvertreters steigt proportional in dem Maße, in dem das Unternehmen die Nachbearbeitung entlang den Leitlinien der Rechtsprechung dokumentiert. Bei fachlicher Kenntnis der virulenten Gesichtspunkte bedarf diese Dokumentation keines großen Aufwandes.
Mitgeteilt von: Dubravka Frinken, Rechtsanwältin
22.04.2016