Ist der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges noch zeitgemäß?

87c Abs. 2 HGB, nach welchem ein Handelsvertreter bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen kann, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt, besteht in dieser Form seit mehr als 60 Jahren. Das Recht, einen Buchauszug zu fordern, kannte schon die ursprüngliche Fassung des Handelsgesetzbuches, mittlerweile fast 120 Jahre alt.

In Zeiten nahezu vollständiger Digitalisierung von Geschäftsunterlagen, zu denen auch jene provisionsrelevanten Daten gehören, die sich in den „Büchern des Unternehmers“ befinden und die Gegenstand des § 87c Abs. 2 HGB sein können, stellt sich die Frage, ob die Zugriffsmöglichkeit des Handelsvertreters auf sämtliche, für die Abrechnungskontotrolle notwendigen Daten in Form einer Anbindung an die EDV des Unternehmers eine Auseinandersetzung um die Erteilung eines Buchauszugs obsolet macht.

Wird ein Unternehmen mit einem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges konfrontiert, bietet die fortschreitende Digitalisierung der vertrieblichen Zusammenarbeit eine Möglichkeit, das Verlangen des Handelsvertreters in neuem Lichte zu betrachten.

Hierfür sind folgende Gründe anzuführen:

Unstreitig ist eine bestimmte Form des Buchauszuges nicht geschuldet, denn es ist nicht gerechtfertigt, den Unternehmer auf eine bestimmte Form zu verpflichten und ihm damit die Freiheit zu nehmen, unter mehreren gleich geeigneten Darstellungsweisen die für ihn kostengünstigere zu wählen (so der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 21.03.2001). Gefordert ist lediglich eine geordnete Zusammenstellung aller Angaben aus den Geschäftsbüchern, Geschäftspapieren und sonstigen Unterlagen des Unternehmers, die für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provision des Handelsvertreters bedeutsam sein können. Dies kann, nach herrschender Auffassung auch in Gestalt von EDV, Mikrofilmen oder Speicherchips erfolgen. Beispielhaft zu erwähnen ist etwa eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 14.11.2013, nach welchem die Erfüllung des Anspruchs durch Übersendung einer CD-ROM als zweifellos ausreichend angesehen wird.

Die Erteilung eines Buchauszuges in elektronischer Form durch Einräumen eines Zugriffs auf die provisionsrelevanten Daten im Rahmen einer EDV-Anbindung ist hiernach nicht ausgeschlossen sondern steht grundsätzlich im Einklang mit der Rechtsprechung.

In einer Entscheidung des Jahres 2007 führte der Bundesgerichtshof hierzu aber präzisierend aus, dass der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Erteilung eines Buchauszugs nicht bereits dadurch genügt, dass er dem Handelsvertreter während der Vertragslaufzeit den Zugriff auf ein elektronisches Agenturinformationssystem ermöglicht, das jeweils nur den aktuellen Stand der provisionsrelevanten Daten wiedergibt und aus dem sich ein Gesamtüberblick über den Zeitraum, auf den sich der Buchauszug zu erstrecken hat, allenfalls dadurch gewinnen ließe, dass der Handelsvertreter die nur vorübergehend zugänglichen Daten „fixiert“ und sammelt.

Im Umkehrschluss ergibt sich aus der Begründung des Bundesgerichtshofs, dass der Zugriff auf ein EDV-System der Erteilung eines Buchauszuges gleichstehen kann, wenn provisionsrelevante Daten auch für die in der Vergangenheit liegenden Geschäfte abrufbar sind.

Dementsprechend bejahen die Gerichte mittlerweile zunehmend bei einem vollständigen, auch retrospektiven EDV-Zugriff auf die provisionsrelevanten durch den Handelsvertreter eine Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszuges (beispielhaft zu nennen sind hier etwas das Oberlandesgericht München und das Landgericht Aachen).

Die anderslautende Ansicht, die nach wie vor ein „Zurverfügungstellen“ des Buchauszuges in physischer Form fordert, etwa durch das mittlerweile fast schon anachronistische Ausdrucken aller Daten oder das Abspeichern auf ein dauerhaftes Medium (USB-Stick, CD-ROM), beschränkt einerseits die Freiheit des Unternehmers bezüglich der Wahl der Darstellung, andererseits wird auch übersehen, dass dem Handelsvertreter im Rahmen einer EDV-Anbindung regelmäßig eine effektivere Kontrollmöglichkeit bereitgehalten wird, die eine gezielte Nachprüfung von Geschäftsvorfällen erlaubt.

Tatsächlich ist das Problem der Auseinandersetzung um die Frage, ob eine Anbindung an die EDV des Unternehmers dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges genügt, nicht unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung zu diskutieren. Richtigerweise stellt sich eher die Frage, welches Rechtsschutzinteresse ein Handelsvertreter tatsächlich verfolgt, der einen vollständigen elektronischen Zugriff auf alle provisionsrelevanten Daten besitzt und dennoch den Unternehmer zur Erteilung eines Buchzuges verurteilt wissen will.

Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
09.05.2016

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