
Die „Formularfalle“
Zum Formularzwang in der Zwangsvollstreckung, Urteil des BGH vom 11.05.2016, VII ZB 54/12
Hinter der regelrecht zungenbrecherischen Kurzbezeichnung ZVFV verbirgt sich eine Verordnung, deren Nichtbeachtung so manchem Schuldner unverhofft vor Ungemach bewahrt, und sei es auch nur für eine gewisse Zeit.
Zur effektiveren und vor allem auch kostengünstigeren Erledigung der Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber die Zivilprozessordnung in den letzten Jahren um einzelne Normen angereichert, die das Bundesministerium der Justiz ermächtigen, durch Rechtsverordnung (und mit Zustimmung des Bundesrates) Formulare für einzelne Vollstreckungsmaßnahmen einzuführen, deren Benutzung verbindlich sein soll. Ergebnis ist die bereits erwähnte ZVFV oder „Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung“ (auch Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung).
Verfügt ein Gläubiger über einen Vollstreckungstitel bezüglich einer Geldforderung ist der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, also die Vollstreckung in laufende Bezüge des Schuldners oder dessen Konten zuvorderst in Betracht zu ziehen. Hierfür bestimmt § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO in Verbindung mit der ZVFV einen Zwang zur Benutzung der in der Anlage 2 der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung bereitgehaltenen Formulare. Dort aufzunehmen sind alle Angaben über die Beteiligten, die zu vollsteckenden Forderungen etc.
Nur soweit für den beabsichtigten Antrag keine zweckmäßige Eintragungsmöglichkeit in dieses Formular besteht, kann ein vorgehaltenes Freifeld oder eine (eigene) Anlage genutzt werden.
Das diese Eintragungspraxis streng gehandhabt wird und ein Gläubiger sich zum eigenen Wohl dem Formularzwang zu beugen hat, belegt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 11.05.2016, VII ZB 54/12).
Ganze 241,52 EUR hatte der Gläubiger vom Schuldner noch beizutreiben und beantragte die Pfändung eines Schuldnerkontos bei der örtlichen Sparkasse. Der beim Vollstreckungsgericht eingereichte Antrag stützte sich aber nicht auf die nach der ZVFV bereitgehaltenen Anlagen. Dem Antrag beigefügt war stattdessen eine inhaltlich zutreffende aber gleichwohl selbst erstellte Forderungsübersicht, bestehend aus der Gesamtschuld, den bisher vereinnahmten Beträgen und den aufgelaufenen Zinsen.
Weder das Amtsgericht (als Ausgangsgericht) noch die Beschwerdeinstanz gaben dem Ansinnen auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses statt und verwiesen auf die formalen Anforderungen nach der Zwangsvollstreckungs-Formularordnung, von denen hier nicht abzuweichen sei.
Der Bundesgerichtshof, aufgrund einer ausdrücklich zugelassenen Rechtsbeschwerdemöglichkeit mit dieser Sache befasst, erkannte keinerlei Fehler in den Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Voraussetzungen für einen Formularzwang waren vorliegend unfraglich, Ausnahmen aufgrund von Besonderheiten nicht ersichtlich. Deutlich stellte der Bundesgerichtshof heraus, dass die vorgegebenen Formulare den vorliegenden Fall des hier vollstreckenden Gläubigers vollständig erfassen.
Hiernach steht zu erwarten, dass zukünftig und gestärkt durch die Bestätigung des Bundesgerichtshofes die Vollstreckungsgerichte Abweichungen vom Formularzwang immer weniger tolerieren werden und die Nichtbeachtung oder nicht vollständige Beachtung der Vorgaben für den vollsteckenden Gläubiger zur Kostenfalle gerät. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall dürften die vom Gläubiger zu tragenden Verfahrenskosten für insgesamt drei Instanzen den Betrag der zu vollsteckenden Forderung weit überwiegen.
Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
19.09.2016