
Umkleidezeit als Arbeitszeit? Cui bono?!
Nicht wenige arbeitsgerichtliche Verfahren beschäftigen sich mit der Frage, ob eine konkrete Tätigkeit/Handlung des Arbeitnehmers als Arbeitszeit zu qualifizieren ist. Dies wiederum hat maßgeblich Auswirkung auf die Vergütung, aber auch auf andere Belange des Arbeitsrechts-verhältnisses.
Aktuell hatte das Landesarbeitsgericht Niedersachen sich mit der Klage eines Krankenpflegers zu befassen, der von seinem Arbeitgeber Vergütung für Zeiten, in denen er seine weiße Pfleger-Kleidung an- und ablegen muss, forderte. Zur Begründung verwies er auf eine bestehende »Dienstvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung im Kreiskrankenhaus«, in der es heißt: »Jede/r Beschäftigte ist verpflichtet während des Dienstes die entsprechende Dienstkleidung zu tragen«. Weiter verwies der klagende Krankenpfleger auf ein als Leitentscheidung geltendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Krankenhausbereich (Urteil vom 19.09.2012, 5 AZR 678/11), welches in diesen Fällen oft herangezogen wird und sich mit dem An- und Ablegen von OP-Schutzkleidung als Arbeitszeit beschäftigt.
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage jedoch ab (Urteil vom 03.05.2016, Az. 11 Sa 1007/15) und qualifizierte die Umkleidezeit des Krankenpflegers nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit.
Ein Vergleich mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts scheitert daran, dass Schutzkleidung für den OP-Bereich aufgrund bestehender Hygienevorschriften zwingend nur vor Ort, also in der Klinik angelegt werden darf. Derartige Vorschriften bestehen aber bezüglich der Kleidung von Pflegern nicht, sie ist kein »wesentlicher Baustein im Gesamtkonzept der Krankenhaushygiene«, der ein Wechseln der Kleidung ausschließlich im Krankenhaus selbst rechtlich gebieten würde. Somit ist ein Umkleiden auch ohne weiteres zu Hause möglich. Zudem handele es sich bei der „typisch weißen Dienstkleidung“ des Klinikpersonals nicht um „echte Schutzkleidung“, wie sie in anderen Berufen anzutreffen ist. Zwar ist eine weiße Dienstkleidung im öffentlichen Straßenbild durchaus auffällig, allerdings auch keine Besonderheit einer spezifischen Berufsgruppe, wie ein Blick auf Apotheker, Physiotherapeuten und private Arztpraxen belegt.
Auch die bestehende Dienstvereinbarung des Krankenhauses bietet keine Begründung dafür, die Umkleidezeit als Arbeitszeit zu qualifizieren, denn Sie schreibe nur das Tragen von Dienstkleidung vor, sage aber nichts über das An- und Ablegen aus, insbesondere, wo dies zu geschehen hat.
Schließlich verwies das Gericht darauf, dass »das Tragen der Berufskleidung auch dem Kläger nützlich ist, weil er dadurch Kosten und Zeitaufwand für Reinigung und Verschleiß der persönlichen Kleidung erspart.«
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen, das Landesarbeitsgericht hat den Weg für eine weitere höchstrichterliche Entscheidung zum Thema eröffnet.
Betriebsvereinbarung schließen!
Vermeiden lässt sich Streit um die Frage „was ist Arbeitszeit?“ am effektivsten durch eine verlässliche Betriebsvereinbarung. Alle wichtigen betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen können in dieser Form geregelt werden, neben der Arbeitszeit etwa Fragen zur Entlohnung, zu personellen Einzelmaßnahmen, zu befristeten Beschäftigungsverhältnissen, dem Einsatz elektronischer Medien, dem Datenschutz usw.
Gern prüfen wir Ihre Betriebsvereinbarungen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung oder erarbeiten Vorschläge zur Regelung Ihrer betrieblichen Angelegenheiten.
Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
26.10.2016