Je höher, desto selbständiger!

Ein überdurchschnittliches Honorar kann Indiz für eine selbständige Tätigkeit sein (zu BSG, Entscheidung vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R)

Ob eine Tätigkeit selbständig oder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird beurteilt sich entgegen weit verbreiteter Meinung weniger nach dem Text des zugrundeliegenden Vertrages sondern vielmehr nach dessen gelebter Wirklichkeit. Häufig streitet auch nicht der Selbständige oder Arbeitnehmer selbst um oder gegen seinen Status (je nach Interessenlage und Intention), sondern die von der Tätigkeit betroffenen – oder besser profitierenden – Träger.

In einer soeben vom Bundesozialgericht entschiedenen Angelegenheit war die Arbeit eines Heilpädagogen zu betrachten, der für eine vom Landkreis getragene öffentliche Jugendhilfe als Erziehungsbeistand auf Honorarbasis tätig war. Das Honorar für die regelmäßig geleisteten vier bis sieben Betreuungsstunden pro Woche betrug zwischen 40,00 und 41,50 EUR/Stunde. Verklagt wurde der Landkreis von der Deutschen Rentenversicherung Bund, die der Auffassung war, dass der Heilpädagoge in dieser Tätigkeit als Beschäftigter der Sozialversicherungspflicht unterliegt (und somit Rentenversicherungsbeiträge etc. zu entrichten sind).

Streitig war, wie in diesen Konstellationen üblich, ob der Pädagoge weisungsfrei tätig und in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden ist, was allerdings per sé nicht genügen würde, dessen Tätigkeit als selbständig einzustufen. Auch der Umstand, dass neben der hier relevanten, stundenweisen Beschäftigung einer anderweitigen Vollzeittätigkeit nachgegangen wird, vermochte die Rentenversicherung nicht vom Gang durch die Instanzen abzuhalten.

Schließlich hatte sich das Bundessozialgericht mit der Angelegenheit zu befassen und bestätigte die Urteil der Vorinstanzen im Sinne des beklagten Landkreises (BSG, Urteil vom 31.03.2017, B 12 R 7/15 R).

Interessant und durchaus kritikwürdig ist hierbei, an welches Kriterium die Richter schließlich die Qualifikation des Heilpädagogen als Selbständigen maßgeblich anknüpften. Nach Auffassung des BSG war der Heilpädagoge beim Landkreis nicht abhängig beschäftigt. Denn die zwischen ihm und dem Landkreis geschlossenen Honorarverträge belegen, dass er (weitgehend) weisungsfrei arbeiten kann und auch nicht in die Arbeitsorganisation des Landkreises eingegliedert ist. Die Verträge seien so, wie sie schriftlich vereinbart waren, auch in der Praxis durchgeführt, also „gelebt“ (!) worden.

Schließlich argumentierte das Gericht für die Selbständigkeit im Hinblick auf das dem Pädagogen für seine Tätigkeit gewährte Honorar.

„Dem Honorar käme im Rahmen der Gesamtwürdigung der Einzelumstände eine besondere Bedeutung zu: Denn liege das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers, zum Beispiel eines festangestellten Erziehungsbeistands, und lasse es dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.“

Zugespitzt formuliert, sorgte hier die hohe bzw. höhere Vergütung des Heilpädagogen für dessen Qualifikation als Selbständigen.

Eine solche Schlussfolgerung mag bei vereinbarten Vergütungssätzen auf Stundenbasis und vor allem vor dem Hintergrund einer unmittelbar vergleichbaren weil parallel existierenden Tätigkeit sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer im selben „Betrieb“ nachvollziehbar sein. Im Bereich erfolgsabhängiger Vergütungssysteme und außerhalb angestammter Berufsbilder hilft die Argumentation des BSG allerdings wenig. Hier wird es auch weiterhin auf die tatsächlich „gelebte Vertragswirklichkeit“ ankommen und das Honorar (vertraglich vereinbart oder tatsächlich erzielt) nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
04.04.2017

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