
Kein „sowohl … als auch“! Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB und unternehmerfinanzierte Altersvorsorge (BGH, Urteil vom 15.12.2016, VII ZR 221/15)
Ausgangslage
Zwischen den Parteien bestand ein Handelsvertretervertrag, nach dem der Vermittler nach einer Mindestlaufzeit von 2 Jahren automatisch Mitglied in einer „Vertreter-Hilfskasse“ wird, die unter anderem den Zweck verfolgt, dem Handelsvertreter eine Altersversorgung nach Beendigung des Vertrages oder bei vorher eintretender Erwerbsunfähigkeit zu gewährleisten.
In einer weiteren Bestimmung des Vertrages heißt es, dass dem Handelsvertreter für den Fall, dass er nach Beendigung des Vertrages ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend macht, er zugleich auf Leistungen aus der „Vertreter-Hilfskasse“ verzichtet. Leistungen in die „Vertreter-Hilfskasse“ erbrachten sowohl des Unternehmen als auch der Vermittler.
Nach Beendigung des Vertrages verlangte der Handelsvertreter vom Unternehmen „zunächst“ einen Ausgleichsanspruch und bezifferte diesen konkret. Zugleich verwies er auf ihm zustehende Ansprüche aus der Hilfskasse.
Soweit aus der Entscheidung ersichtlich, reagierte das Unternehmen nicht. Der Vermittler hingegen verfolgte die Zahlung des Ausgleichsanspruchs nicht mehr und erhob Klage auf Auskunft und Zahlung von Leistungen aus der „Vertreter-Hilfskasse“. Nach Auskunftserteilung errechnete der Kläger seine angeblichen Zahlungsansprüche und betrieb das Klageverfahren weiter. Dieser Klage gaben sowohl Land- als auch Oberlandesgericht statt, zu Unrecht, wie der Bundegerichtshof nun feststellte (Urteil vom 04.01.2017, VII ZR 221/15)
Entscheidung des BGH
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die Wirksamkeit der „Verzichtsklausel“ nicht in Frage zu stellen, denn weder wird gegen zwingendes Recht verstoßen, noch liegt eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters vor. Tatsächlich haben die Parteien den Anfall des Ausgleichsanspruchs auflösend bedingt vereinbart, wogegen nichts spricht.
Dem Einwand, der Handelsvertreter könnte am Ende mit Nichts dastehen, nämlich dann, wenn er den Ausgleichsanspruch statt der Versorgungsleistung wählt, sich aber herausstellt, dass dieser null ist, begegnete der BGH mit dem Hinweis, dass die Geltendmachung des Ausgleichanspruch in den Risikobereich des Handelsvertreters fällt und diesem schon nach § 89b Abs. 4 Satz 2 HGB (Jahresfrist) Zeit gegeben ist, sich über den Umgang des Anspruchs klar zu werden.
Hiermit beschreitet der Bundesgerichtshof seinen eingeschlagenen Pfad beständig weiter, den er anhand einiger Entscheidungen zum Thema vor einigen Jahren eingeschlagen hat. In einem Urteil vom 08.05.2014 (VII ZR 282/12) bejahte er bereits die ausgleichsmindernde Berücksichtigung einer durch den Unternehmer aufgebauten Altersvorsorge bezüglich der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruch eines Versicherungs- und Bausparkassenvertreters. Basis der Berechnung waren die zwischen den Spitzenverbänden der betroffenen Wirtschaftszweige und Handelsvertreter vereinbarten „Grundsätze“, die eine derartige Anrechnung selbst vorsehen.
Nicht weniger deutlich hat dies in naher Vergangenheit etwas das OLG Köln herausgestellt (Urteil vom 21.04.2016, 19 U 165/15) und sich überdies auch ausführlich mit der Frage beschäftigt, warum eine solche Anrechnung gegenüber dem Handelsvertreter gerade nicht unbillig und übervorteilend ist.
Nebenbei …
… klargestellt hat der BGH zugleich auch die allerdings wenig umstrittene Anwendung der Brüssel-I-Verordnung auf die hier in Rede stehenden Betriebsrentenansprüche, die entsprechend jenen eines Arbeitnehmers dem Anwendungsbereich der Verordnung unterfallen und die internationale Zuständigkeit der Gerichte in derartigen Fällen regelt. Hiernach war es dem Kläger möglich, seinen in Schweden ansässigen Vertragspartner in Deutschland aufgrund der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO (Erfüllungsgerichtsstand) zu verklagen, wenn auch letztendlich ohne Erfolg.
Auch das noch: steuerliche Auswirkungen
Auszahlung aus den errichteten Versorgungskassen, wie immer diese auch ausgestaltet oder benannt sind, unterliegen der Besteuerung nach den für die Einkünfte aus Kapitalvermögen geltenden Vorschriften. Da nach dem Vorstehenden der Ausgleichsanspruch (ganz oder teilweise) von den Versorgungsleistungen „ersetzt“ wird, liegt der Gedanke nicht fern, die Auszahlungsleistung als solche eher der Besteuerung von Einkünften aus dem Gewerbebetrieb zuzuordnen.
Dem hat der Bundesfinanzhof in letzter Instanz vor kurzem jedoch eine Absage erteilt (Urteil vom 08.12.2016, III R 41/14). Bei der Besteuerung der Leistungen aus der Versorgungskasse als „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ hat es zu verbleiben. Der Umstand, dass die Kapitalzahlung an die Stelle des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB tritt, rechtfertigt es nicht, sie den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnen, so der Bundesfinanzhof.
Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
19.05.2017