
Keine Zauberei bei Kundenbewertungen! (Urteil des OLG Köln, 6 U 161/16 )
Zur Reichweite von Unterlassungsversprechen
Ausgangslage
Beim Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen kann heutzutage auf Kundenbewertungen kaum noch verzichtet werden, vor allem in Fällen noch unbekannter Produkte oder beginnender Marktdurchdringung. Negative Kundenbewertungen können für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit verheerend sein, positive Kundenbewertungen wiederum ein Segen.
So wichtig inhaltlich Kundenbewertungen für das marktteilnehmende Unternehmen sind, so wichtig ist es auch, dass der Inhalt der Kundenbewertungen nicht gegen wettbewerbsrechtliche Grundsätze verstößt, denn die Veröffentlichung von Kundenbewertungen auf der Firmenwebseite kann werbenden Charakter haben und dadurch auch eine Haftung des Unternehmens im Falle irreführender Inhalte auslösen.
Dies hat nunmehr das Oberlandesgericht Köln in einer soeben veröffentlichen Entscheidung herausgestellt (Urteil vom 24.05.2017, 6 U 161/16).
Das handelnde Unternehmen vertrieb sogenannte „Zauberwaschkugeln“ zur Benutzung in Waschmaschinen und Geschirrspülern und konkret beworben mit der Behauptung, man spare durch die Nutzung dieser Kugeln Waschmittel.
Da dieser Werbeaussage allerdings keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zugrunde lagen, wurde das Unternehmen von der Wettbewerbszentrale Bundesverband auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Bereits vorgerichtlich gab das Unternehmen die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und änderte die Beschreibung bzw. Werbeaussagen zum vertriebenen Produkt.
Der „überschwängliche Kunde“
Unverändert fanden sich allerdings auf der Webseite des Unternehmens die dort eingebundenen Kundenbewertungen, die in Einzelfällen auf die Bestätigung von Kunden hinausliefen, man benutze tatsächlich weniger Waschmittel bzw. die „Zauberwaschkugel funktioniert wirklich“.
Die Wettbewerbszentrale war der Auffassung, dass die ursprünglich vom Unternehmen abgegebene Unterlassungserklärung auch die auf der Webseite veröffentlichen Kundenaussagen bezüglich der Aussage zur angeblichen Waschmittelersparnis umfasst. Konsequent wurde daher keine neue Unterlassungserklärung betreffend die Kundenaussagen verlangt, sondern aus dem ursprünglichen Unterlassungsversprechen vorgegangen, konkret durch Forderung der Zahlung einer Vertragsstrafe.
Das Handelsunternehmen war der Auffassung, dass die Unterlassungsverpflichtung nur auf eigene Werbeaussagen beschränkt sein kann und nicht die Veröffentlichung von Bewertungen umfasst. Zudem wies das Unternehmen darauf hin, dass man sich die Kundenbewertungen nicht zu Eigen gemacht habe.
Ohne Wenn und Aber
Erstinstanzlich wurde das beklagte Unternehmen zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt, da sich die abgegebene Unterlassungsverpflichtung auch auf die auf der Webseite veröffentlichten Kundenbewertungen erstreckt, die als kerngleiche Aussagen der ursprünglich getätigten Aussage – „spart Waschmittel“ – entsprechen.
Diese Entscheidung hat das Oberlandesgericht Köln bestätigt und instruktiv noch einmal die Reichweite der ursprünglichen Unterlassungsverpflichtungen auch auf den Inhalt der Kundenbewertungen dargelegt.
Grundlage ist der ursprünglich zwischen den Parteien geschlossene Unterlassungsvertrag, bestehend aus der vom beklagten Unternehmen übernommenen Unterlassungsverpflichtung. Obgleich dieser Unterlassungsvertrag sich nur auf einen ganz konkreten Werbesatz – „spart Waschmittel“ – bezieht, bedeutet dies gleichwohl nicht, dass sich die vereinbarte Unterlassungspflicht auf diesen Satz beschränken muss. Übereinstimmender Zweck eines solchen Vertrages ist es, die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine strafbedrohte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen, und somit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Daher gilt der Vertrag nicht nur für genau identische Verletzungsformen, sondern auch alle im Kern gleichartigen.
Kundenbewertungen: Werbung im feinen Gewand
Da die Unterlassungsverpflichtung darin besteht, eine bestimmte Aussage „im geschäftlichen Verkehr“ zu unterlassen, kann die Erstreckung auf jene, auf der Firmenwebseite veröffentlichte Kundenmeinungen nicht fraglich sein. Denn diese Kundenmeinungen werden augenscheinlich zu Werbezwecken eingestellt.
Werbung muss hierbei nicht immer unmittelbar produktbezogen sein, sondern kann auch die nur mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form von Imagewerbung oder Sponsoring“ umfassen. Das Oberlandesgericht Köln verweist an dieser Stelle auf den Inhalt Art. 2a der Richtlinie 2006/113/EG bezüglich irreführender und vergleichender Werbung und eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.09.2013 („Empfehlungs-E-Mail“, I ZR 208/12). Dort hatte ein Unternehmen auf seiner Webseite Benutzern die Möglichkeit eingeräumt, Dritten unverlangt, das heißt ohne deren Einverständnis, sogenannte „Empfehlungs-E-Mails“ zu schicken, um aus dem Internetauftritt dieses Unternehmens hinzuweisen. Der Gerichtshof stellte klar, dass derartige „Empfehlungs-E-Mails“ über die Webseite des Unternehmens durch Nutzer bzw. Kunden nichts anderes darstellt, als wenn das Unternehmen sich selbst an potentielle Kunden wendet. Diese Geschäftspraxis ist unzulässig.
Nach diesen Maßgaben bzw. Grundsätzen hatte auch das Oberlandesgericht Köln in der hier vorliegenden Entscheidung keine Mühe, dem Inhalt der Kundenbewertungen im Einzelnen einen werbenden Charakter zuzuschreiben. Die ursprünglich abgegebene Unterlassungsverpflichtung des Unternehmens zur Behauptung einer Waschmittelersparnis erstreckt sich daher auch auf derartige Aussagen in den Kundenbewertungen.
Denn auch der Kunde könnte irren
Überraschend „dünn“ fällt die Begründung des Urteils die Behauptung des beklagten Unternehmens aus, bei den Äußerungen der Kunden handele es sich um Meinungsäußerungen.
Das Verwaltungsgericht wies hierbei lediglich darauf hin, dass zwar die Kunden ihren subjektiven Eindruck darstellen, in deren Aussage gleichwohl eine Werbung der bzw. für Beklagten zu sehen ist.
Im Ergebnis, auch wenn im Urteil nicht ausdrücklich angesprochen, dient die Erstreckung der ursprünglich abgegebenen Unterlassungsverpflichtung auf den Inhalt der eingebundenen Kundenbewertungen letztlich der effektiven Geltung der ursprünglich übernommenen Unterlassungsverpflichtung. Diese wäre entwertet, wenn ein Unternehmen selbst zwar konkrete Äußerungen zu unterlassen hätte, sich gleichlautende oder identische Äußerungen Dritter, konkret seiner Kunden, mittelbar nutzbar machen dürfte, um hierdurch einen gleichlautenden Werbezweck zu erzielen.
Das Oberlandesgericht Köln wies in einem Nebensatz allerdings darauf hin, dass es durchaus möglich ist, dass es sich bei den Kundenbewertungen bereits um eine Konsequenz aus der vorangegangenen, irreführenden Werbung durch das beklagte Unternehmen handelt. Dies wiederum ist weiterer Grund für die mit der Ausdehnung des Unterlassungsversprechens auf den Inhalt der Kundenbewertung.
Im Rahmen bleiben
Berücksichtigt man, dass Kundenbewertungen, wie oben angesprochen, immer wichtigeres Instrument der Marktdurchdringung sind, und dass hier in Rede stehende Unternehmen die Kundenbewertung auf der eigenen Webseite eingebunden hat, ist die Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen.
Ob es sich letztlich bei den in Rede stehenden Kundenkommentaren um „echte Meinungen“ handelte oder das Unternehmen selbst derartige „platzierte“ war nicht zu erörtern und ist im Ergebnis auch unerheblich.
Zukünftig wird von vornherein im Rahmen der Abgabe von Unterlassungsversprechungen darauf zu achten sein, ob eine Erstreckung auf bereits veröffentlichte oder zukünftige Kundenmeinungen bzw. -bewertungen zu beachten ist. Entweder sollten im Einzelnen das Unterlassungsgebot bzw. der Unterlassungsvertrag konkret gegenständlich gefasst sein oder es sind in der Konsequenz alle „kerngleichen“ Werbeaussagen in den Kundenbewertungen zu löschen.
Mitgeteilt von: Jens Bühner, Rechtsanwalt LLM. EUR.
11.07.2017